Pink City Jaipur – das altrosa fällt von den Wänden
Das Frühstück an meinem 9. Tag im barefoot college wird von einer sms von Bata unterbrochen –ich würde heute noch nach Jaipur fahren, sie kommt mit, Bunker hat das so für uns geplant! Ich dachte schon, ich sehe in meinen 11 Tagen Indien nur das barefoot college – so schön es dort auch ist, ein Ausflug ist mir schon sehr recht!
Der Tag wird auf einmal ganz hektisch, ich wollte unbedingt noch 2 fertige Texte vor dem Aufbruch hochladen, aber mit den Bildern dauert das ja alles immer so seine Zeit.
Es wird halb elf bis wir aufbrechen, aber wir kommen gut durch und um 12:00 Uhr mittags kommen wir in der „Pink City“ genannten Stadt an. Ich weiß gar nicht, wer sich mehr freut, Bata oder ich. Auch für sie ist es eine willkommene Abwechslung. Die Stadt ist wunderschön, sie fasziniert aber macht trotzdem hier und da traurig. Auf jeden Fall ein krasser Gegensatz zum dörflichen Leben im barefoot college.
Die ganze Altstadt ist ursprünglich in altrosa gestrichen worden.
Zum größten Teil ist die Farbe noch erhalten oder im Laufe der Jahre immer wieder in dem Ton nachgemalt worden.
Das „Pink“ im Nickname hat also seine Berechtigung, auch wenn altrosa viel besser passen würde und nicht so schrecklich nach Mädchenabteilung im Großkaufhaus klingt.
Inzwischen ist vom Pink oder altrosa jedoch auch schon viel abgeblättert, die Außenfassaden der meisten Häuser haben ihre schönste Zeit schon sehr lange hinter sich gelassen.
Die Innenstadt macht auf mich einen eher verwahrlosten Eindruck.
Es liegt viel Abfall auf den Strassen, die Häuser sind marode, da fehlt auch schon mal ein Dach hier und da und der Putz fällt von den Wänden.
Dennoch ist der Charme der Architekturen erhalten – es ist eine schöne Stadt. Es ist jedoch voll überall, die Seitengassen sind eng, dort findet der Verkehr überwiegend auf verschiedenartigen Zweirädern statt. Autos könnten in manchen von ihnen gar nicht vorwärtskommen.
An den Straßenrändern stehen alle Arten Gemüse- oder Imbissstände, Buden mit allen möglichen Artikeln. Bettelnde Kinder laufen barfüßig durch den Müll. Dazwischen blitzt immer mal wieder die prächtige Fassade eines Palastes auf – immer in altrosa und in den meisten Fällen auch in etwas schönerem Zustand.
Für die zahlenhungrigen noch ein Paar Fakten: Jaipur (Wikipedia-Artikel ) hat zur Zeit 2,3 Millionen Einwohner, wächst aber stark. Die Gründung der Stadt ist noch nicht so lange her – für europäische Verhältnisse, sie fand am 17.11.1727 (ein stark sieben-lastiges Datum) statt.
Die Albert Hall: Kunsthandwerk aus Rajasthan und dem Rest der Welt sowie ein U-Bahn-Drehkreuz aus London
Unser erstes Ziel ist die Albert Hall, ein palastartiges, freistehendes Gebäude, in dem sich ein Museum für Kunsthandwerk befindet.
Prinz Albert, der Mann der englischen Königin Victoria kam 1853 zu Besuch, ein Umstand, dem die Stadt heute nicht nur den Namen dieses Museums verdankt (es wurde allerdings erst mehr als 10 Jahre nach dem Besuch gebaut) sondern auch ihren rosaroten Anstrich.
So wie man das in Zeiten des Sozialismus bei hohem politischem Besuch in der Provinz kannte, wo auch alle Fassaden neu gestrichen wurden, hatte man seinerzeit die ganze Stadt mit der Farbe der Gastlichkeit (in Rajasthan= rosarot) angemalt, um Prinz Albert höchste Ehre zu erweisen.
Bata ist peinlich berührt, als sie feststellt, dass ihr Eintritt nur 15 Rupien beträgt und für mich als Ausländerin 200 Rupien.
Das findet sie Wucher, es viel Geld im barefoot college, für eine Europäerin ist ein Eintritt von etwas mehr als drei Euro jedoch keine Katastrophe.
Die Albert Hall ist nicht nur Haus für angewandte Künste sondern auch für viele Tauben.
Vor der Hauptfassade stehen Behälter mit Getreide, daraus wird offenbar regelmäßig Korn verstreut.
Zumindest gab es dort ganze „Körnerpfützen“ als ich dort war und mich über die Unmengen von Tauben wunderte, die sich dort niederließen und immer mal wieder eine Runde um das Gebäude drehten.
Um ihr Eindringen in das Museum zu verhindern, hingen grobmaschige Netze zwischen den Säuleneingängen.
Innen gab es eine nach Künsten sortierte Sammlung von Kunsthandwerk – Plastiken, Möbel, Textilien, Keramik und anderes.
Am schönsten fand ich natürlich die Textilien, wobei diese Sammlung relativ klein war, und die Ausstellung von Buchmalereien und Malereiminiaturen.
Vieler dieser Bilder erzählen kleine Geschichten. Andere stellen wundersame Tiere dar.
Wieder andere bilden schöne Frauen ab, wenig prüde und auch in offensichtlich lesbischem Kontext (würde ich als Laiin jedenfalls so interpretieren) oder auch mal mit Totenköpfen an einer Halskette (das stellt wohl eine gruselige Göttin dar).
Alle Bilder sind in jedem Fall farbliche Wunderwerke. Ich hätte stundenlang diese kleinformatigen Kunstwerke betrachten können (und am liebsten mit einem Ledertuch die Scheiben der Schutzkästen gewienert).
Kurz, die Exponate waren sehr schön und das Museum ist unbedingt einen Besuch wert, dennoch hat es mir geradezu weh getan, in welch schlechter Pflege sie dort untergebracht waren. Arbeitskraft ist in Jaipur wie in ganz Indien grundsätzlich preiswert zu haben, die Armut ist hoch und vielerorts wird händeringend nach einer Erwerbstätigkeit gesucht. Warum es da nicht möglich sein soll, in der Hauptstadt Rajasthans in einem der bedeutendsten Museen der Stadt die Vitrinen regelmäßig säubern zu lassen, will mir nicht in den Sinn.
Einen besonders jammernswerten Anblick bot die Teppichabteilung, die ohnehin derart gut versteckt und schlecht ausgezeichnet war, dass wir mehrfach nach dem Weg fragen mussten und sich außer uns auch niemand weiter dorthin verirrte.
In dem dunklen Raum waren alle Teppiche hinter monströsen Kästen aus einer verglasten Holzkonstruktion verborgen, deren die Gläser derart schmutzig waren, dass man nur ahnen konnte, was dahinter verborgen war.
Das Gebäude selbst war jedoch in sehr guter Verfassung, es strahlte in neuer Farbe und wirkte selbst von außen wie ein Palast. Innen gab es kleine optische Überraschungen, wie kirchenartige Fenster, die witzige farbintensive Reflexionen auf die Innentreppen warfen – und auf alle Menschen, die die Treppe hoch- und runterliefen. Witzig ist auch der Eingang ins Museum selbst: die Ticketkontrolle im Inneren des Hauses steht neben einem originalen D rehkreuz aus der alten Londoner U-Bahn.
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