Wie jedes Jahr, fand im Februar auf dem Campusgelände des Barefoot College ein Festival für Volkskultur und Musik statt. Musikerinnen und Musiker aus den entlegendsten Winkeln Rajasthans spielten drei Tage mit traditionellen Instrumenten in der Agora auf.
Bata hatte mir vom Festival erzählt und ich habe hin und her überlegt, ob ich nicht gleich noch einmal nach Tilonia komme – aber natürlich geht das nicht…vielleicht im nächsten Jahr! Aber meine kleine „Schwester“ im Barefoot College hat wunderschöne Fotos gemacht und mir gemailt – alle Fotos in diesem Beitrag sind von ihr, von Bata Bhurji.
BesucherInnen des Lok Utsav Festivals
Viele Gäste nicht nur aus der Region kommen, um Musik zu hören, die immer seltener geworden ist. Ältere Musiker sind schon durch viele Länder gereist, um ihre Kunst vorzuführen, aber Nachwuchs gibt es kaum.
Flötenspieler beim Lok Utsav Festival 2010
Osama Manzar, fleißiger Twitterer vom Lok Utsav, erzählt von Diskussionen am Rande des Festivals über das Aussterben der Volksmusik, die Apathie der Regierung und die Nöte der Künstler. Keine Medien sind vor Ort, um sie aufzuschreiben und zu debattieren.
Aruna Roy hat für sie ein Ohr und diskutiert Möglichkeiten, die reiche Kultur im ländlichen Rajasthan zu erhalten. Die Musiker wünschen sich regionale Kunst- und Musikschulen und die Chance, an den normalen Schulen Kunst und Musik unterrichten zu können.
Dieser Unterricht könnte durch das NREGA finanziert werden – das National Rural Employment Guarantee Act, das Gesetz von 2005, welches jeder Familie im ländlichen Raum in Indien 100 Tage bezahlter Arbeit pro Jahr ermöglicht – zu einem garantierten Mindestlohn von 100 Rupien am Tag (siehe meinen Artikel zu bahnbrechenden Gesetzen gegen Korruption und für das Recht auf Arbeit).
Die MusikerInnen schlagen auch vor, alle zwei Monate regionale Musikworkshops zu veranstalten, sie wünschen sich mediale Aufmerksamkeit, damit ihre Kunst bekannter wird und vor dem Aussterben bewahrt werden kann.
MusikerInnen auf dem Lok Utsav 2010
Nicht zuletzt fehlt es an angemessener Bezahlung, um als Musiker von der Kunst auch leben zu können und die fortschreitende Landflucht auch der Künstler zu beenden. Finanzielle Unterstützung ist aber auch notwendig, um die Ausbildung der Kinder zu sichern und ein Mindesteinkommen für die Alten zu garantieren – Renten gibt es natürlich nicht für Volksmusiker.
Man sieht den kulturellen Reichtum Rajasthans in Gefahr und beschwört dringenden Handlungsbedarf. Auf dem Campus des Barefoot College wird wieder einmal Aktivismus geplant: die Protagonisten des Festivals planen öffentliche Demonstrationen und Lobbymaßnahmen, um Druck auf die Regierung auszuüben.
Tänzerin auf dem Lok Utsav in Tilonia 2010
Für viele Besucher ist das Festival jedoch vor allem ein Fest der Lebensfreude, der Schönheit und des Wohlklangs. Bei Tanz, Gesang und Melodien gezaubert mit unterschiedlichsten Instrumenten gibt man sich Träumen hin und feiert in Gemeinschaft.
An meinem letzten Tag in Tilonia muss ich natürlich unbedingt noch einen Großeinkauf im Craft Shop erledigen.
im Ladeninneren
Ich rechne mit einer halben Stunde aber bin 1,5 Stunden damit beschäftigt – einen Großteil der Zeit nimmt allerdings schon das Schreiben der Quittungen und die Bezahlungsregelung in Anspruch.
Das Problem: ich habe keine Rupien und keine Dollars, nur noch Euro und eine Kreditkarte. Beides sind hier keine akzeptierten Zahlungsmittel. Am Ende lande ich bei Bunker Roy, der pragmatisch entscheidet, dass ich einen Teil mit Euro bezahle und den Rest auf Rechnung kaufen kann und das Geld später überweise. Jede Quittung wird langsam und ausführlich geschrieben, dazu mein Name und eine Telefonnummer, die Adresse – für alle Fälle. Dann werden alle Quittungen noch einmal neu geschrieben, weil ein Teil meiner Einkäufe per Paket hinterhergeschickt wird. Das Porto festzustellen, ist nicht so einfach – aber wichtig, denn davon hängt auch ab, wieviel Gepäck ich mir bei der Reise zumute.
Kissen…Kissen…Kissen
drei Kissen - das rote in der Mitte gibt es jetzt auch bei mir zuhause
Waren werden gewogen, ein Assistent wandert zur Poststelle, kommt nach einer gefühlten Ewigkeit zurück mit einer Tabelle voller kleiner Zahlen – Gewichten und Versandarten und all ihren möglichen Kombinationen. Der Shop-Buchhalter muss viel rechnen – der Gegenwert der Euros in Rupien und die Restsumme erst in Rupien und dann wiederum in Euro– ich stehe daneben und sitze innerlich auf Kohlen.
drei Tierkissen - farbenfrohe Applikationen mit Stickerei
Nebenbei denke ich darüber nach, wie ich meine Einkäufe nach Deutschland bekomme – ich möchte so viel wie möglich mitnehmen, aber das wird eine logistische Herausforderung. Am Ende lasse ich nur eine dünne Steppdecke für den Versand, der Rest wird irgendwie verstaut. Vor dem Bezahlen kam jedoch die Qual der Wahl. Es ist furchtbar schwer, sich zwischen all den schönen Kunsthandwerken zu entscheiden, vor allem, wenn man auf Stickereien steht. Ich habe immer wieder Kissen nebeneinander auf die Erde gelegt (siehe die Bilder weiter oben).
Immer wieder stehe ich vor Entscheidungen, wie diese: soll ich diese Kissen nehmen, nur in Blautönen:
drei blaue Kissen - in typischer Tilonia Ornamentik (Applikationen)
Oder doch lieber jene – gemischt mit rot und grün?
drei Kissen in gemischten Farben
Decken, Vorhänge und Wandbehänge habe ich immer wieder auf der Erde ausgebreitet, bewundert und überwiegend wieder zusammengefaltet und weggelegt, man kann nicht alles haben, was man schön findet. Ich überlege im Geist, wen ich alles in Deutschland beglücken kann mit tilonischen Mitbringseln und so entsteht langsam ein Stapel in der Ecke des Ladens mit wunderschönen Textilien.
Einfache Handwerkstechniken mit großer ästhetischer Wirkung
weiße Decke in Chirni-Applikationstechnik
Eine gigantisch große weisse Decke gehört zu den auserwählten Stücken. Sie besteht aus zwei Schichten Stoff, einer sehr transparenten unteren Schicht – einer Art feinstem Batist – und einer oberen Schicht aus dünner aber blickdichter Baumwolle. In der oberen Schicht wurde der Stoff eingeschlitzt, die Ränder der Schlitze nach innen gefaltet und anschließend mit der Hand festgenäht. So entsteht ein Muster aus mehr oder weniger transparenten Flächen – eine typische Technik in Rajasthan, genannt Chirni, die sehr graphisch und sehr edel wirkt. Meine Decke ziert inzwischen das Bett in Deutschland, sie ist so groß, dass sie auch bei einer Bettbreite von 1,60 Meter rechts und links bis auf den Boden hängt.
farbenprächtige Wandbehaenge - im Haathi Ghoda Stil
Die wunderschönen farbigen Exemplare mussten erst einmal in Tilonia bleiben. Ich konnte sie zwar endlos bewundern, aber in meine Wohnung passen sie dennoch nicht so gut hinein. Ich lief durch den Laden wie durch ein Kunsthandwerkmuseum. Ist die weiße Decke eher von graphischen Mustern bestimmt, so sind die farbigen Wandbehänge mit einer typischen Ikonographie gestaltet, in der immer wieder ähnliche Figuren auftauchen. Diese traditionellen Darstellungen nennt man Haathi-Ghoda. Sie enthalten Palmen, Menschen, Vögel, Katzen, Kamele und immer wieder Elefanten…alles stark stilisiert und fast ornamental gestaltet, aber sehr stark in der Wirkung.
Den Lebensbaum von Tilonia trifft man im barefoot college überall
Kissen und ein Wandbehang mit dem Lebensbaum-Motiv als Applikation
Das häufigste Motiv in Tilonia ist jedoch ein Lebensbaum. Das Design hat Batas Mutter entworfen – es findet sich auf Kissen und auf Wandbehängen und in verschiedenen Farbkombinationen. In der Variante „Großer Baum“ fliegen Vögel über der Baumkrone und versammeln sich Menschen und Tiere um seinen Stamm. Auffällig sind die großen Wurzeln – ganz untypisch für ein hiesiges Baumbild – sind sie offenbar Symbol für Verwurzelung auf der einen Seite und die Verbindung zur Mutter-Erde (und damit zum kostbaren Grundwasser) auf der anderen Seite. Es sind Versionen dieses großen Baum-Wandbehanges, die man an vielen Stellen im barefoot college findet, ja sogar in der Wohnung von Bunker Roy in New Delhi. Es ist gewissermaßen zum Wahrzeichen des barefoot college geworden.
bestickter Lederhocker und Steck-Stuhl mit verzierter Lehne aus Leder
Neben etlichen Kissenbezügen erwerbe ich auch zwei große und zwei kleine Klappstühle – genaugenommen Steckstühle, da sie sich mit einem leichten Handgriff in zwei Teile zerlegen und zusammenstecken lassen. Dann sind diese urgemütlichen Lümmel-Sessel-Hocker nur noch ein kompaktes Paket von wenigen Zentimetern Dicke. Sehr praktisch – sowas kann ich gut brauchen. Das Grundmodell dieser Stühle stammt aus Saharanpur in Uttar Pradesh – in Tilonia wurde das Design vervollkommnet. Die Rückenlehnen der Tiloniavariante sind aus dickem Leder, das entweder nur mit Lederschnüren und kleinen Löchern verziert ist, oder sehr aufwändig mit Wollfäden bestickt. Beide Varianten sind äußerst haltbar und hinreißend schön. Einen Fernseher habe ich schon seit 10 Jahren nicht mehr, bei uns werden Filme auf DVD und damit am Laptop geschaut. Dafür gibt es im Wohnzimmer eine Lümmelecke – genau dort stehen jetzt die Tilonia Sessel, gemütlicher kann man kaum Filme sehen. Auf dem Bild ist auch ein Hocker – an ihm kann man die Wollstickerei gut erkennen.
Tota heißt Papagei – Das Symbol Indiens ist auch Helfer für den Gott der Lust und Liebe
Totaketten - in allen Längen und Farben - aber immer mit einem Glöckchen am Ende
Last but noch least, muss ich natürlich auch ein paar Totas mitnehmen – die hängen ebenfalls überall herum, an Feiertagen sogar in den Bäumen. Ich suche mir einige lange und kurze Totaketten aber auch kleine Totaanhänger, die ich später in Deutschland an meine Freunde verschenke. Totas sind symbolische Vögel – das Wort steht in Hindi für Papagei.
Kamadeva - Gott der Liebe und der Lust - mit Zuckerrohrbogen und Blütenpfeilen, begleitet vom Pagageien (=Tota)
Totas – Vogelsymbole – sind in der Kunst und im Kunsthandwerk Indiens sehr häufig, sie symbolisieren daher häufig das Land selbst. Der Papagei ist jedoch auch das Tier der Gottheit für Liebe und Verlangen – Kamadeva (Quelle: TOTA Design ).
Ähnlich unserem Liebesgott Amor wird Kamadeva als schöner Jüngling mit Pfeil und Bogen dargestellt, nur dass bei Kamadeva der Bogen aus Zuckerrohr besteht und die fünf Pfeile mit je einer Blüte geschmückt sind, darunter die Blüten von Jasmin, Mango und Lotus.
Betörender kann man wohl kaum einen Liebespfeil abschießen…
So vergingen also munter 1,5 Stunden im Kunsthandwerkladen des barefoot college und inzwischen erfreue ich mich täglich an diesen schönen Erinnerungen. An jenem Tag hatte ich jedoch keine Ruhe – die Uhrenzeiger rasten, ich musste unbedingt noch die deutsche Tonspur für den solarsister Film „Simple Heroes“ aufnehmen. Mohan – der Chef von Bata, war nach kurzer Suche ausfindig gemacht. Der hier eingefügte Film ist die englisch sprachige Version – die Tonspur hat Bunker Roy selbst gesprochen.
Ich hockte mich im Mediacenter auf die Teppiche, Mohan baute seine Aufnahmegerätschaften daneben auf und los ging es. Den ersten Paragraphen musste ich wiederholen –zwischendurch kam laut piepsend ein SMS von Bata, also noch mal von vorn.
Ich gab mir Mühe schön ruhig und langsam zu sprechen und reichlich Pausen einzubauen. Bata hatte mir eingeschärft, auf keinen Fall unter 10 Minuten zu reden, lieber länger als kürzer und ich hatte nur noch 15 Minuten Zeit bis zur Abfahrt des Autos, das uns in ein 1,5 Stunden entferntes Dorf bringen sollte. Ich hatte also nur einen Versuch, für Wiederholung war keine Zeit. Alles lief wunderbar, ich habe ca. 12 Minuten gesprochen, also genau wie von Bata gewünscht. Viel später erzählt mir Bunker, dass es eigentlich genau anders herum war – auf keinen Fall länger als 10 Minuten reden…, keine Ahnung, was jetzt aus meiner offensichtlich zu langen Tonspur wird.
Am Ende wird es doch hektisch, ich renne zurück zum Guesthaus, deponiere meine Einkäufe und mache mich auf den Weg. Vor mir liegt der letzte aber aufregendste Ausflug in Tilonia – ein Besuch bei der amtierenden Premierministerin der Rajasthanischen Nachtschulen, der zwölfjährigen Neraj. Ich habe sie erst auf der Ziegenweide, dann im Hof ihrer Eltern und anschließend in der Nachtschule begleiten dürfen. Das waren unvergeßliche Augenblicke, von denen hier noch berichtet werden wird.
Neraj (12 J.), Premierministerin des Nachtschulen-Kinderparlaments
Dieser Artikel wird einen Teil meines zehnten Tages beschreiben, vor allem aber gibt er einen umfassenden Einblick in die Grundprinzipien des demokratischen Lebens im barefoot college. Ich habe erstaunliche Dinge erfahren, gesehen und erlebt und so manche Lektion habe ich nach Hause genommen. Ich wollte diesen Artikel weder kürzen noch teilen, er ist daher etwas länger als die übrigen.
Mein zehnter Tag beginnt ähnlich wie der neunte mit einer großen Überraschung, die einiges an Hektik mit sich bringt und alle Pläne über einen Haufen wirft. Ich erfahre, dass es nicht am folgenden Tag sondern schon am gleichen Abend nach Neu Delhi geht und ich dafür dann einen ganzen Tag in Neu Delhi verbringen kann. Ich wollte noch so viel machen im college! So viele Themen habe ich noch nicht bearbeitet, so viele Menschen noch nicht befragt, so viele Stellen nicht besucht. Ich wollte auch noch einmal zum Abschied zu den solar sisters, auch das ist nicht mehr zu schaffen.
Vasu – ein Urgestein mit bewegter persönlicher Geschichte
Vasuji, konzentriert bei der Arbeit am Computer
Nach dem Frühstück interviewe ich erst einmal das Urgestein des barefoot college (davon gibt es eine Handvoll) – Vasu, der seit über 30 Jahren hier lebt und arbeitet und eigentlich Srinivasan heißt. Mit ihm rede ich über das barefoot college im Allgemeinen – über den Alltag, wie Demokratie dort funktioniert, welche Menschen dort leben. Einige Daten und Fakten schickt mir Vasu später noch per email hinterher. Wir reden auch über „Green Jobs“ die im Laufe der Jahrzehnte in und durch das barefoot college entstanden sind – darüber werde ich später einen separaten Text schreiben, das ist eine eigene Geschichte. In diesem Text soll die Rede sein von der Community selbst und wie ihr Zusammenleben funktioniert. Die Bilder illustrieren den campus und das Alltagsleben.
Kinder in der Nightschool - Am Anfang des Unterrichts wird gesungen
Vasu kam 1975 ins barefoot college und blieb – mit zwei Unterbrechungen bis auf den heutigen Tag. Vasu atmet schwer – seit den 80er Jahren ist er schwer krank. Heute lebt er mit gerade einmal 10 Prozent aktiver Lunge, vor zwei Jahren hat man ihn aus einem Atemstillstand gerettet, nachdem er minutenlang praktisch tot war. Wie Bunker Roy hat er eine hervorragende Ausbildung genossen, war eigentlich für ihn eine illustre Karriere vorgezeichnet. Wie Bunker hat er sich für ein bescheidenes Leben und die Aufgabe entschieden, die Lebensbedingungen für die Landbevölkerung zu verbessern. Nach seinen ersten 7 Jahren im college folgte er dem Druck seiner Frau und zog fort. Einige Jahre später, die Ehe war gescheitert, kam er wieder. Seine Frau und die Tochter leben inzwischen in Südafrika. (mehr …)
Nach der Albert Hall sind wir zum City Palast gefahren, dem Palast, in dem die vergangenen Maharadjas von Jaipur gewohnt haben und in dem noch heute ein Teil für die Residenz seiner Exzellenz vorbehalten ist.
Der große Rest jedoch ist für touristische Besuche freigegeben und enthält auch einige Sonderausstellungen in Gebäuden, die jeder für sich wie ein kleiner Palast aussehen.
Im Citypalast ist der Eintrittspreis noch etwas höher als in der Albert Hall – er liegt für Ausländer bei 300 Rupien (etwas mehr als 4 Euro), im Preis ist immerhin ein Audio Guide enthalten und einem Schlangenbeschwörer darf man unterwegs auch umsonst zusehen. Schlange stehen wiederum mußte man nicht und ein freundliches „bis bald“ wurde mir von der Audioguide-Verteilerin auch noch hinterher geworfen.
Vor dem City Palast ist ein Parkplatz bzw. eine Stelle, auf der man bezahlt parken kann und Platz für ein Gefährt findet. Der Boden ist unbefestigt, uneben und an vielen Stellen mit Unrat bedeckt, Busse stehen dort genauso wie Rikshas, bettelnde Kinder in erbarmungswürdigem Zustand belagern die wenigen Touristen, die dort aus ihren Fahrzeugen steigen und am Rand liegen Obdachlose im Schatten und schlafen. Einen Parkplatzwärter gibt es jedoch trotzdem, er verlangt 50 Rupien worauf hin Bata einen entrüsteten Wortschwall auf Hindi äußert, der ganz offensichtlich blankes Entsetzen über diese Preise enthält. Dem Zustand des Parkplatzes angemessen scheint das Entgelt jedenfalls nicht. Der Palast ist jedoch prächtig in jeder Hinsicht, unvorstellbar, dass es nur wenige Meter vor der Tür so anders aussieht.
Im Inneren des Palastgeländes
Der Palast selbst wurde 1890 gebaut und besteht aus einem ganzen Komplex von Gebäuden, die durch ein Netz von Innenhöfen miteinander verbunden sind. Wikipedia schreibt, dass er „von hohen Mauern umschlossen zwischen schönen Gärten und stolzen Höfen“ steht – da war ich wohl einfach auf der falschen Seite, ich habe von beidem nichts gesehen. (mehr …)
Einer meiner Lieblingsblogs – die Mädchenmannschaft– selbst ausgezeichnet als Bester Deutscher Blog 2008 (BOB Award) und Grimme Online Nominee, featured mich und diesen Blogals Bloggerin/Blog der Woche. Darüber freue ich mich riesig! Möge dieses Feature dazu beitragen, dass die vielfältigen Anregungen, die ich aus dem barefoot college in Indien mitgebracht habe, viele LeserInnen finden.
Ich möchte mit diesem Blog schließlich nicht nur Aufmerksamkeit auch für Notstände in anderen Regionen dieser Welt – namentlich in Rajasthan, Indien, wecken sondern auch zeigen, was WIR von den anderen lernen können.
Neben schönen Fotos finden Leserinnen und Leser hier Informationen auch zu all den Bereichen, in denen uns das barefoot college eine Menge vor macht:
Ausbildung von Frauen in technischen Berufen (Analphabetinnen werden Solaringenieurinnen!)
umweltschonendes Alltagsleben (100% Solarstrom, Regenwassergewinnung, Produktion von Kunsthandwerk aus recycelten Produkten u.a.)
Integration Behinderter
Überwindung von Benachteiligungen durch soziale Herkunft
Basisdemokratie im Alltag der Community aber auch in den Kinderparlamenten der Night Schools
Transparenz – über alle Entscheidungen, Einnahmen und Ausgaben, für jeden, jederzeit, auch rückwirkend (20 Jahre+)
Stärkung benachteiligter Gruppen durch Vernetzung (Night Schools Parlament, Frauengruppen, Frauentag mit 10.000 Teilnehmerinnen…)
Nutzung moderner Technologie in der Entwicklungshilfe (WLAN, Solartechnologie)
Viele dieser Themen sind schon im Detail beschrieben, weitere kommen aber in der nächsten Zeit laufend dazu. Also am besten nach Stichwort suchen und ein Email-Abo für Updates bestellen :-). Stöbern ist natürlich auch erlaubt.
Community Radio fällt aus – dafür ein Spontanbesuch beim Puppenmacher
Der Morgen meines achten Tages im barefoot college ist neblig und es ist lausekalt. Auf meinem Plan steht für heute ein Besuch im Community Radio, ich soll dazu jemanden in der Puppenmacher Werkstatt treffen. Dieser jemand, so stellt sich später heraus, ist heute gar nicht da. Die Wartezeit habe ich jedoch sehr gut unterhalten damit verbracht, wieder dem Puppenmachen zuzuschauen – ich kann mich nicht satt sehen.
Maenner und Frauenpuppen bekommen Ohrringe
Diesmal liegen zwei Haufen Puppen vor dem Puppenmacher – ein Männerhaufen und ein Frauenhaufen. Nach und nach bekommen sie alle Ohrringe, auch die Männer.
Eine Puppe bekommt Ohrringe
Aus einer kleinen Schachtel werden sorgfältig verschiedene Ohrringe ausgesucht.
Alle sind nagelneu und noch an einem Stück Pappe befestigt.
Sie werden der Puppe angehalten und die am besten passenden ausgesucht.
Jede Puppe wird mit Sorgfalt verschönert.
von Charge Controllern und Deep Cycle Batteries – ich werde Synchronsprecherin
Bata erscheint in der Tür und ich werde wieder zu Bunker gerufen. In seinem Büro erfahre ich, dass ich die Tonspur des Films „The Rural Women Solar Engineers of Africa“ – zu den Solarsisters aus Afrika (von Bunker werden sie „simple heroes“ genannt) auf deutsch und spanisch übersetzen und auch einspielen soll. Der Film steht bisher in beiden Sprachen noch nicht zur Verfügung. Ich sage ihm die deutsche Übersetzung bis zum Mittag zu, aber beim Spanischen ziere ich mich. Ich bin ganz gut in Spanisch, aber nicht gut genug, um einen Text mit Spezialvokabeln in kurzer Zeit zu übersetzen und dann auch noch zu sprechen. Das wäre für einen einmal Vortrag noch zu vertreten, aber nicht bei einer Freischaltung für die ganze Welt. Da ist mein Perfektionsanspruch dagegen. (mehr …)
Dies ist mal ein eher ungewöhnlicher Text in diesem Blog – er kündigt an, was noch so an Texten folgt, damit sich die Netzgemeinde nicht über 3-4 Tage fehlende Updates wundert…
Die letzten Tage waren vollgepackt bis an den Rand und teilweise auch von adhoc Planungen bestimmt, so dass ich partout keine Gelegenheit hatte a) ans Internet (= in das Telefonhäuschen) zu kommen und b) über einen der Hausrechner meine Fotos von der Sony-Karte auf einen USB-Stick und von dort auf meinen Rechner zu laden. Mein Multikartenlesegerät hatte nämlich mitten in der Reise seinen Geist aufgegeben. Dankeschön. Das hätte es auch mal zu hause tun können, da gibts ein Ersatzgerät. Aber so sind die Dinger. Denken an gar nix.
Aber hier soll ja die Vorschau hin…Voilá:
Meine Blogthemen für den achten Tag:
an meinem achten Tag wird noch einmal ein Puppenmacher besucht, es gibt einen überraschenden Auftrag von Bunker Roy – die Synchronisation eines YouTube Films über die Solar Sisters, ein Riesensolarkocher auf einem Dach begutachtet und wiedermal im Eimer die Haare gewaschen.
NACHTRAG: dieser Artikel ist geschrieben – man kann ihn hierals Achten Tag lesen.
Meine Blogthemen für den neunten Tag:
an meinem neunten Tag gibts eine Spontanreise nach Jaipur zu beschreiben – der ehemaligen Hauptstadt des Königreiches Rajasthan, das sich erst 1949 dem Bundesstaat Indien anschloß. Die Stadt nennt man Pink City – wie zu lesen sein wird, nicht ganz zu unrecht. Dort habe ich die Albert Hall und den City Palast angeschaut und anschließend ein paar Marktstrassen durchstöbert auf der Suche nach regionalen Errungenschaften (die gab es natürlich). In Jaipur gab es dann auch den Geldsuper-Gau mit dem Totalversagen beider vorhandener Kreditkarten, am Ende doch noch ein leckeres Essen und eine späte Heimkehr.
NACHTRAG: Der neunte Tag findet sich in drei Artikeln wieder:
Der zehnte Tag begann wie schon der neunte mit einer Adhoc Nachricht – die Abreise nach Neu Delhi soll schon am gleichen Tag erfolgen, statt am folgenden. Das zeitigt einige Veränderungen in der Tagesplanung, etliches wird gestrichen, das Packen vorgezogen, ein Interview mit dem Urgestein des barefoot college – Vasu – geführt, den Synchrontext eingespielt, im campus Shop eingekauft (das war der größte Akt des ganzen Vormittages). Am Nachmittag und Abend ein Höhepunkt: Besuch der amtierenden Premierministerin des Kinderparlamentes der Nachtschulen in Rajastan auf ihrer Ziegenweide, auf ihrem Hof im Dorf Kotari und abends in der Nachtschule – die in einigen Dingen anders war, als die erste. Kurzer Abstecher in die Aussenstelle des barefoot campus dort in der Nähe.
Mein zehnter Tag ging dann relativ nahtlos in den elften Tag über – es wird einen Text geben zu meiner Nachtfahrt von Tilonia nach Neu Delhi, die von allerlei Kathastrophen geprägt war und daher doppelt so lange dauerte aber mit einer glücklichen Ankunft in N.D. endete (wenn auch erst um 6:30 Uhr früh des Folgetages).
Dieser Folgetag ist heute – der 7. Januar und mein letzter Tag in Indien. Ich habe ihn teils schlafend teils einkaufend (oh, Dili Haat!!!) und teils in der Wohnung von Bunker Roy verbracht (da gibts auch WLANT). Ich werde alle die angekündigten Texte erst im Flieger und zuhause schreiben können, die geneigten Leser werden daher um etwas Geduld gebeten. Dann gibts auch wieder Bilder. Morgen in aller Frühe fahre ich zum Flughafen und hoffe, dass mein Flug nicht gecancelt wird – heute morgen sollen viele Flüge ausgefallen sein. Morgen abend lande ich in Berlin – auch hier die Hoffnung, dass mein Flug nicht gecancelt wird, es gibt eine Unwetterwarnung wegen 20 cm Neuschnee in Berlin – natürlich zur Landezeit.
Wie es später hier weitergeht:
Natürlich ist dieser Blog nach meiner Rückreise nicht beendet, es gibt noch sehr viele Themen, für die ich Material habe und die ich in den nächsten Tagen und Wochen schreiben werde. Darunter einen Bericht über soziodemographische Themen im Campus, wie Demokratie im barefoot college gelebt wird, die Schaffung von Green Jobs durch das barefoot college und viele andere spannende Sachen.
Das also als Vorschau, bitte neugierig bleiben und immer mal Reinschauen, vielleicht kann ich ja schon Morgen abend in Berlin Neues hochladen.
Eine junge Italienerin und ein 86 jähriger Journalist kommen ins Gespräch
Italienerin im Gespräch mit Ajit Bhattcharya
Gegen 20 Uhr begebe ich mich mit Bata in Arunas Büro, wo das Interview mit Ajit Bhattcharya stattfinden soll.
Dieser Mann ist 86 Jahre alt, klein von Statur aber mit lebendigen und wachen Augen ausgestattet. In Indien ist er eine Koryphäe in der Journalistik, war lange Herausgeber der Hindustan Times und kämpfte an der Seite von Aruna für die Verabschiedung des Gesetzes zur Informationsfreiheit.
Eine junge Italienerin und ihre Eltern wollen mit ihm ein Interview aufnehmen, in dessen Mittelpunkt seine Erfahrungen mit Gandhi stehen sollen. Auch Bata wird das Gespräch aufzeichnen, so dass gleich zwei Kameras auf den betagten Herrn gerichtet sind.
Ajit Bhattcharya und ein Bild von Courbet
Er sitzt auf einem Bett, hinter ihm ein Bild von Courbet, auf dem ein Männerkopf mit geradezu stechendem Blick abgebildet ist, und einen eigenwilligen Kontrast zu dem sanftmütigen Greis bildet.
Als Ajit Bhattcharya im Vorgespräch hört, dass er auch einen Zusammenhang zwischen Leben und Denken von Gandhi zum barefoot college herstellen soll, besteht er darauf, dass Bunker dazu geholt wird und so sitzen bald beide Männer auf dem Bett und es kann los gehen.
Es war sehr spannend den Geschichten über Aufruhr im Land zuzuhören, die Ajit Bhattcharya über die vierziger Jahre erzählt – da, wo er Gandhi das erste Mal direkt und persönlich erlebt hat. Einen Teil des Gesprächs habe ich aufgezeichnet (als dritte Kamera im Raum). Wenn ich wieder in Deutschland bin, und an einem schnellen Netz hänge, werde ich es über einen YouTube Link im Blog verlinken. (mehr …)
Ich bin noch im Audiovisuell Center und schaue die letzten Minuten des Films über das Frauentreffen von 1985, da werde ich zu Bunker ins Büro gerufen. Dort sitzen die beiden Europäer, die ich morgens beim Frühstück in der Messe gesehen hatte. Sie werden mir als Heike und Wolfgang aus Deutschland – genauer aus Schwaben – vorgestellt. Wolfgang Scheffler ist Entwickler des Scheffler-Solarcooker – genau des Apparates, den die Solarcooker-Monteurinnen im Alten Campus zusammenbauen. Wolfgang hat ihn entwickelt, die Frauen ausgebildet und kommt seit Jahren immer wieder ins barefoot college, um nach dem Rechten zu sehen.
Wolfgang und Heike werden warm empfangen
Bunker bittet mich, die beiden bei ihren Besuchen im Campus zu begleiten. Da die beiden auch noch einigermaßen Hindi sprechen, verspreche ich mir davon detailliertere Einblicke in die Arbeit der Frauen auf dem Campus. Es ist immer noch kühl und nieselt, ich wickele mich auch in zwei Tücher – eins ist eine Leihgabe von Bata und hält allein durch seine Größe alle Arten Wetterunbill etwas von mir ab. Gemeinsam laufen wir – Heike, Wolfgang und ich – über den Ackerweg zum alten Campus, um die Solarkocher-Monteurinnen zu besuchen.
Wolfgang Scheffler beim Smalltalk mit den Solarkochermonteurinnen
Als wir dort ankommen sitzen alle gerade um ein kleines Feuer versammelt und wärmen sich. Sita und ihre Kollegen springen sofort auf, Wolfgang ist hier offensichtlich ein sehr gern gesehener Gast. Wir nehmen die Einladung ans Feuer sehr gern an und wärmen uns auch eine Weile auf. Heike und Wolfgang betreiben Smalltalk auf Hindi. (mehr …)
Am morgen des siebten Tages wache ich nach meinen obligatorischen 10 Stunden Schlaf auf und höre ein Geräusch. Ich denke spontan – oh, es regnet, aber muss mich gleich selbst auslachen, wie ich auf so eine dumme Idee kommen konnte. Hier und Regen – jetzt! So ein Unsinn. Ich bin mir meiner Sache so sicher, dass ich nicht einmal rausschaue.
Regen in Tilonia
Als ich eine halbe Stunde später mein Zimmer verlasse, habe ich diesen ersten Gedanken am Morgen längst vergessen und so trifft mich fast der Schlag, als ich auf der kleinen Terasse schräg vor meiner Tür kleine Pfützen entdecke, in denen Regentropfen kleine Ringlein machen. Mein Blick wandert himmelwärts: tatsächlich – alles grau, draußen – alles grau, der Boden feucht und dunkel, ab und an huscht schnell ein mehrfach in Tücher vermummter Mensch vorbei. Es regnet wirklich! Es ist mehr ein kräftiger Niesel als ein Regen. Auf dem Erdboden reicht es gerade, den Staub zu binden. Dort entstehen nirgendwo Pfützen oder Rinnsale aber es ist kühl und feucht. Die Luft ist klamm, so völlig anders als in den bisherigen Tagen.
Ich frage später, ob es nicht ungewöhnlich ist, jetzt Regen zu haben, aber ich erfahre, dass es noch eine Winterregenzeit gibt, die Anfang Dezember anfängt – nur bisher war der Regen ausgeblieben. Dies ist der erste Regen. Die Regenwassertanks wird er auch nicht füllen.
Fladenbrot und Tee zum Frühstück
Diesmal frühstückt niemand auf den Steinbänken im Freien, wo sonst alle die Morgensonne genossen haben. Es ist geradezu voll in der Messe beim Frühstück. Dort sehe ich zwei Europäer und will sie schon ansprechen, als sie aufstehen und gehen. Mein Frühstück ist besonders lecker. Ich hatte am Vortag auf Nachfrage Bunker Roy erzählt, dass mir das Essen sehr gut schmeckt, auch das Fladenbrot, dass das Brot am Neujahrstag aber besonders lecker gewesen sei, es hätte irgendeine Füllung gehabt mit verschiedenen Gewürzen. Daraufhin meint Bunker, ich solle es doch dann jeden Tag essen und ich kann ihn nicht davon abhalten, die Küche anzurufen und meinen Sonderwunsch durchzugeben. Seit dem bekomme ich morgens immer Extrabrot, das ist mir etwas peinlich den anderen gegenüber aber es schmeckt dennoch köstlich. (mehr …)