Im Stoffelager ist es finster
Den Nachmittag meines sechsten Tages verbringe ich überwiegend schreibend im Telefoniglu. Ein Abstecher in das Alte Campus muss jedoch sein, da mir Aruna nahe gelegt hat, lieber eine unifarbene Hose zum langen indischen Oberteil zu tragen als eines in der gleichen Musterung. Unifarbene Hosen gibt es jedoch im Shop gerade nicht, also nutze ich eine Mitfahrgelegenheit und fahre mit Bata und Bunkers Cousin in das Alte Campus zu den Schneiderinnen.
Dort werde ich in das Stofflager geführt, das leider kein Licht hat. Durch das Fenster dringt nur spärlich Licht, es ist klein und der Nachmittag neigt sich dem Abend zu. Der Staub auf den Fenstern tut sein übriges – kurz, man kaum Farbe und Beschaffenheit der Stoffe erkennen. Bald stellt sich jedoch heraus, dass es soviel Auswahl in einfarbigen Stoffen ohnehin nicht gibt und das vielversprechendste Regal auch noch direkt am Fenster steht. Ich halte mir mal die eine und mal die andere Stoffrolle über die Beine und kann mich dennoch nicht entscheiden.
Am Ende nehme ich mir die Entscheidung selbst ab – eine Hose kostet 5-6 Dollar, da kann man auch zwei verschiedene Farben nehmen. Ich entscheide mich für mittelblau und rostrot – beides dürfte gut zu meinem Oberteil passen. Die Schneiderin nimmt noch einmal Maß – beim letzten Mal war meine Hose zu lang geraten – und verspricht am folgenden Tag die Hosen zu nähen. Das klappt auch – ich bekomme beide Hosen am kommenden Nachmittag, leider diesmal ein wenig zu kurz, da hilft nur, den Gummizug etwas tiefer ziehen…
Madonna backt Fladenbrot mit Kerosin
In meiner Tasche habe ich einige Süßigkeiten, die ich den Kindern meiner „Madonna von Tilonia“ schenken möchte (siehe meinen Text „Das Fest beginnt: Sylvester 2009″ – dort ist das beeindruckende Bild der „Madonna“ mit ihren beiden Kindern abgebildet). Ich weiß nicht, wie sie heißt und wo sie wohnt und Bata auch nicht. Wir wissen nur, dass sie auch Kalender klebt, hier auf dem Alten Campus.
Aber die Schneiderin kennt alle, die hier wohnen und so zeige ich ihr einfach das Foto. Damit ist die Sache einfach – meine Madonna stellt sich als quasi Nachbarin und im gleichen Hof der Schneiderin wohnend heraus. Die Wohnung ist hinter der Metallwerkstatt, gegenüber der Solarcooker-Werkstatt.
Wir finden die Gesuchte und ich bin froh, dass ich einer Intuition folgend Süßes für vier Kinder mitgenommen hatte, obwohl ich nur von zwei Kindern wusste (die auf dem Madonnenfoto abgebildeten). Madonna hat tatsächlich vier Kinder. Sie freut sich sehr über die kleinen Gaben und lädt uns zum Tee ein. Doch wir wollen am Abend noch in die Nightschool, die Zeit haben wir nicht. Aber so komme ich dazu, einen Blick in ihre Wohnung zu werfen und bin betroffen. Es ist dunkel in dem einzigen Zimmer, in dem eine breite Liege steht und 2 weitere Liegen hochkannt gestellt sind, um kaum eine mehr als 1,5 Meter breite Fläche freizugeben. Es riecht nach Kerosin. Madonna erzählt, dass sie gerade keinen Strom haben und daher die Lampe nicht funktioniert. Sie sind offenbar nicht mit Solarstrom versorgt und so backt sie auch die Fladenbrote für das Abendbrot mit Kerosin. Unvorstellbar, dass man bei diesem Geruch schlafen kann. Für Groß und klein ganz sicher gesundheitsschädigend.
Ich nehme mir vor, irgendwie dafür zu sorgen, dass dieser Hof auch mit Solarstrom versorgt wird, damit nie wieder das Licht ausfällt und nie wieder mit Kerosin Brot gebacken werden muss. Damit mehr Geld übrig bleibt für die Kleidung der vier Kinder. Madonna lädt uns für das nächste Mal zum Tee ein und wir verabschieden uns. Bedrückt gehe ich fort. Hier muss man etwas machen!
Wir haben wieder eine Mitfahrgelegenheit in den neuen Campus wo sich herausstellt, dass wir erst etwas später zur Nightschool fahren. Ich nutze die Zeit und schreibe in meinem Zimmer an einem Text für den Blog.
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