Das Telefonhaus – Ort der Kommunikation
Der letzte Tag des Jahres verläuft für mich zumindest tagsüber ereignisarm. Ich sitze viel im Telefonhäuschen und schreibe an meinen Texten, lade Bilder hoch und zeige Lalchand Bagdi, dem Schicht habenden Telefonmann die neuen Webtexte auf diesem Blog. Es fasziniert ihn immer wieder neu, wie er Bild und Text im Internet erscheinen sieht, die ich bei ihm erst zusammengefügt bzw. geschrieben habe. Als ich ein Bild von seinem Tisch machen möchte, setzt er sich schnell dazu und nimmt einen Hörer in die Hand. Das ist in der Tat authentischer, denn eines der 3 Telefone klingelt immer.

Der Telefonhausmanager Lalchand Bagdi
Hier ist den ganzen Tag reger Betrieb. Es kommen Anrufe für die Collegebewohner hier an, dann wird jemand geschickt, den oder die Angerufene(n) zu holen, die atemlos herbeieilen. Bis abends um 22:00 ist das Telefon-Iglu geöffnet. Manchmal ruft mich auch Bata hier an und sagt mir Bescheid, wann sie mich zur nächsten Mahlzeit abholt. Für einen Anruf in den Rest der Welt kommt man ebenfalls ins Häuschen, gibt die Nummer durch, der Telefonmann wählt und die Nummer erscheint auf einem kleinen Kasten an der Wand mit digitalen roten Ziffern in Leuchtanzeigen. Dort ist auch erkennbar, wann eine Verbindung hergestellt wurde und wie lange sie dauert. Ist ein Gespräch beendet, fängt nach dem Auflegen eine kleine Rechenmaschine an zu rattern und spuckt die Quittung für den Anruf aus. In einem großen Buch werden Anrufe festgehalten.
Hier sitze ich also Tag für Tag, wenn ich mein Weblog bearbeite und das Internet benötige. Bilder bearbeite ich jedoch in Batas Office. Dort ist es zwar lausekalt und ich wickele mich dabei in diverse Tücher, aber draußen ist es zu hell. Schreiben geht im Freien geht einigermaßen, zumindest, wenn man sich in den Schatten setzt.
Das Baby auf dem Schoß von Lady Di hat Geburtstag
In Handumdrehen ist der halbe Tag vorbei und wieder Mittagszeit. Wir essen bei Aruna im Garten. Bata zeigt mir die Masken, die sie für das Sylvesterfest gebastelt haben – einen ganzen Korb voll.

Bata mit Sylvestermasken
Auf einem kleinen Mäuerchen werden alle Speisen aufgebaut. Sie stehen in kleinen Metallschälchen als Buffet bereit. Fast jeder hat irgendetwas dazu beigesteuert. Es sind immer kleine Portionen aber so kann man viele verschiedene Dinge ausprobieren. Alles ist sehr lecker.

Sylvester Lunch bei Aruna Roy
Aruna hat ein offenes Haus und häufig sind Gäste da. Heute sind Mitarbeiter aus ihrem Team da. Khushbu ist auch da, ihr Name bedeutet „Wohlgeruch“, sie hat heute Geburtstag. Aruna erzählt, dass Khushbu als Baby auf Lady Di’s Schoß saß (Auf dem Foto rechts mit brauner Strickjacke und hellblauem Tuch). Die Princess of Wales war gemeinsam mit Prince Charles auch schon in Tilonia, im barefoot college zu Gast. Heute bekommen alle Frauen, die bei Aruna zu Gast sind, ein Geschenk – mir schenkt sie eine Kette mit einem großen flachen roten Stein, den anderen Ohrringe. Den Schmuck stellen Frauen einer muslimischen Frauenorganisation in Jaipur her.
Viele Tota Glocken klingen für das Fest und schmücken die Bühne
Weiter hinten im Garten der Familie Roy liegt der Festplatz, auf dem den ganzen Vormittag schon fleißig Vorbereitungen für das Fest am Abend stattfinden. Bata hat einen Berg Totas mitgebracht, mit besonders großen Vögeln und hell klingenden Glocken am unteren Ende. Gemeinsam befestigen wir sie rechts und links von der „Bühne“. Die Bühne besteht aus einem großen Stück schwarzen Stoff, daneben steht schon die Musikanlage und einige Scheinwerfer.

der Festplatz wird mit Totas geschmückt
Neue traditionelle Lichterketten werden aufgehängt (die, die ich zuvor für Vogeltränken gehalten hatte) und solche, die wir kennen – sie blinken bunt und etwas hektisch. Aruna ist nicht davon begeistert aber den meisten gefällt es und so bleiben sie da. Es hängen neue Fahnen zwischen den Bäumen mit Neujahrsgrüßen darauf. Auf dem Boden sind 3 riesige Teppiche ausgerollt, hier werden abends alle sitzen, nach Teams geordnet. Den Platz vor der Bühne bekommen die Kinder.

der Festplatz für Sylvester
Bata hat sich heute schön gemacht, mit einer festlichen weiten Hose aus schwarzem Stoff mit kleinen effektvollen Stickereien, die in der Sonne funkeln. Ich habe das Bedürfnis, zur Feier des Tages etwas Anderes anzuziehen – aber natürlich muss es auch traditionell sein, ich will ja nicht aus der Rolle fallen. Wenn frau der Überzeugung ist, sie hat nichts anzuziehen, geht sie erst mal einkaufen. Eine bessere Ausrede gibt’s schließlich nicht. Genau das mache ich auch und wandere in die Kleiderabteilung des college shops. Dort finde ich jede Menge kurzärmeliger Kleider aber leider wenig langes. Ich muss ein wenig kombinieren und während ich so rechts und links von mir kleine Stapel von Kleidung aufbaue, die in die nähere Auswahl kommen, erhalte ich einen Anruf aus Deutschland. Mein erster Neujahrsgruß und ich freue mich ein Schneekönig, (Schneekönigin sage ich mit Absicht nicht, das hat so eine negative Konnotation auch wenn es grammatisch richtiger wäre). Die Verbindung ist besser, als manchmal in Berlin und während wir miteinander reden, geht mein Gesprächspartner ins Internet und stöbert in meinem Blog. Wir sind beide restlos begeistert, was Technik heute möglich macht. Ich erzähle in bester Tonqualität von meinen Erlebnissen und nebenbei kann er im Internet schon die Fotos sehen zu den Geschichten, die ich erst am Vortag erlebt habe. Faszinierend.
Meine Kleiderauswahl ist mühsam. Am Ende gehe ich mit einem Arm voll Sachen nach Hause, natürlich müssen auch ein paar Totaketten dabei sein. Zum Schönmachen gehört auch Haarewaschen, das ist hier etwas komplizierter als daheim. Ich ziehe mit meinem großen Eimer zur Warmwasserleitung, die auf der anderen Seite des Guesthauses im Hausflur steht. Das Wasser wird durch eine Solaranlage auf dem Dach erhitzt. Jetzt, zur Nachmittagszeit, ist das Wasser besonders heiß. Ich verbrühe mich fast. Es dauert eine Weile bis mit mein Eimer vollgelaufen ist, zumal zwischendurch ein Stockwert tiefer jemand die gleiche Absicht hat und mein Wasserstrahl versiegt, solange er unter mir den Hahn aufdreht. Mit dem Eimer heißes Wasser ziehe ich in mein Bad. Der Eimer wandert auf die Fensterbank, und das Experiment kann beginnen. Wer lange Haare hat und sich einmal belustigen will, sollte auf diese Weise seine oder ihre Haare waschen. Meine Versuche durch Kopf-in-den-Eimer-versenken meine Haare wieder schaumfrei zu bekommen, gaben bestimmt ein Bild für Götter. Ich beschließe das nächste mal eine Tasse aus der Küche zu organisieren, damit kann man sich effektiver Wasser über den Kopf giessen als aus meinen eher kleinen Händen.
Aber irgendwann ist auch das geschafft. Der Fön funktioniert anstandslos auch an einheimischen Steckdosen, nur die Haare fliegen danach in alle Himmelsrichtungen. Aber so what.
Leseempfehlung
Artikel: Das Fest beginnt – Sylvester 2009
Artikel: Neujahrsfest für die Kinder – 01.01.2010
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