Abstecher in die Spulerei – und wieder eine Reise in die eigene Vergangenheit
Auf dem alten Campus – die meisten Häuser sind noch aus kolonialen Zeiten – werfen wir noch einen Blick in eine Art steinernen Schuppen, ein recht dunkles Gemäuer mit weit geöffnetem Scheunentor. Im Dunkel des Inneren steht ein riesiger alter Holzwebstuhl mit zwei Pedalen. Er ist reparaturbedürftig und daher gerade nicht genutzt.
Meine Gedanken wandern zurück in das Jahr 1986, als ich 18jährig in der „PGH 5. Parteitag“ (PGH=Produktionsgenossenschaft des Handwerks) arbeitete. Viele Monate saß ich an einer alten Stickmaschine aus der vorigen Jahrhundertwende, betrieben mit einem später anmontierten Motor und gesteuert über eine kleine Kurbel unter der Arbeitsplatte. Ich habe tausende Male die Zahlen von 1-13 auf Wasserballermützen gestickt – erst die Umrandung, dann den ein cm breiten Zahlen-Balken mit vielen kleinen Kreisen „ausgemalt“, entweder in weiß auf blau oder in blau auf weiß, nur die eins gab es in einer rot-weiß Kombination. Ein paar Monate war ich jedoch auch in der Handweberei, lernte mit einem 6 pedaligen Handwebstuhl weben, auch jener war schon viele Jahrzehnte alt. Das Klack Rumm Klack Rumm Klack Rumm des durch das Fadenfach sausenden Schiffchens und des anschlagenden Webkamms singen mir noch im Ohr.
Zwischendurch musste ich Garn spulen, an Maschinen die noch Vorkriegsware sind – vor dem 1. Weltkrieg. Mit Arbeitsschutz hatte das wenig zu tun. Vor mir sausten damals 20 kleine Spulen, die von großen Spulen alle gleichzeitig aufgefüllt wurden. Wenn ein Faden riß oder eine Spule leer war, griff ich mitten hinein in die weiterlaufende Apparatur, zog die Pappspule von ihrer Halterung, befestigte den Faden und steckte die Spule auf. Das ganze musste blitzschnell gehen.
In einem anderen Raum wurde das Webgarn gehaspelt, also von dicken Spulen abgewickelt und in vielen parallelen Fäden in einer übermannshohen Halterung wieder aufgewickelt (wer das Wort „Haspel“ und „haspeln“ nicht kennt kann hier eine Wikipedia Beschreibung lesen). Genauso eine Apparatur stand auch in diesem Gemäuer. Eine Frau in roter traditioneller Kleidung arbeitete daran.
Hier schien der Prozess mit deutlich weniger Hektik abzulaufen als bei mir vor über 20 Jahren. Als ich erzähle, dass ich diese Arbeit auch schon einmal gemacht habe, leuchten die Augen der jungen Frau und ihre Zähne blitzen in einem strahlenden Lächeln. Es ist merkwürdig. Seit meiner Ankunft hatte ich schon so viele innere Begegnungen mit meiner eigenen Vergangenheit. Mit allem hatte ich gerechnet bei meiner Reise, aber damit nicht.
Wir spazieren noch eine kleine Runde über den alten Campus. Bata zeigt mir die Messe, in der die angehenden Solaringenieurinnen gemeinsam essen, die Duschen, die über eine Dachsolarheizung mit warmem Wasser versorgt werden, den Spielplatz, auf dem eine Handvoll Kinder im Kreis ein Spiel mit Steinchen spielt und Bata erzählt. Sie erzählt, wie sie hier seit sie 2 Jahre alt war gelebt, gespielt und gelernt hat, wie ihr ganzes Leben mit dem barefoot college verbunden ist. Sie erzählt auch von dem Unfall vor vier Jahren, bei dem sechs college Bewohner ums Leben kamen, einer davon war ihr Vater. Sie sagt, dass ihr der Beruf als Kommunikationsverantwortliche nicht nur Spaß macht, er ist für sie auch eine Ehrung des Vaters, seine Aufgabe fortzuführen.