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lok utsav tweet

Wie jedes Jahr, fand im Februar auf dem Campusgelände des Barefoot College ein Festival für Volkskultur und Musik statt. Musikerinnen und Musiker aus den entlegendsten Winkeln Rajasthans spielten drei Tage mit traditionellen Instrumenten  in der Agora auf.

Bata hatte mir vom Festival erzählt und ich habe hin und her überlegt, ob ich nicht gleich noch einmal nach Tilonia komme – aber natürlich geht das nicht…vielleicht im nächsten Jahr! Aber meine kleine „Schwester“ im Barefoot College hat wunderschöne Fotos gemacht und mir gemailt – alle Fotos in diesem Beitrag sind von ihr, von Bata Bhurji.

BesucherInnen des Lok Utsav Festivals

Viele Gäste nicht nur aus der Region kommen, um Musik zu hören, die immer seltener geworden ist. Ältere Musiker sind schon durch viele Länder gereist, um ihre Kunst vorzuführen, aber Nachwuchs gibt es kaum.

Flötenspieler beim Lok Utsav Festival 2010

Osama Manzar, fleißiger Twitterer vom Lok Utsav, erzählt von Diskussionen am Rande des Festivals über das Aussterben der Volksmusik, die  Apathie der Regierung und die Nöte der Künstler. Keine Medien sind vor Ort, um sie aufzuschreiben und zu debattieren.

Aruna Roy hat für sie ein Ohr und diskutiert Möglichkeiten, die reiche Kultur im ländlichen Rajasthan zu erhalten. Die Musiker wünschen sich regionale Kunst- und Musikschulen und die Chance, an den normalen Schulen Kunst und Musik unterrichten zu können.

Dieser Unterricht könnte durch das NREGA finanziert werden – das National Rural Employment Guarantee Act, das Gesetz von 2005, welches jeder Familie im ländlichen Raum in Indien 100 Tage bezahlter Arbeit pro Jahr ermöglicht – zu einem garantierten Mindestlohn von 100 Rupien am Tag (siehe meinen Artikel zu bahnbrechenden Gesetzen gegen Korruption und für das Recht auf Arbeit).

Die MusikerInnen schlagen auch vor, alle zwei Monate regionale Musikworkshops zu veranstalten, sie wünschen sich mediale Aufmerksamkeit, damit ihre Kunst bekannter wird und vor dem Aussterben bewahrt werden kann.

MusikerInnen auf dem Lok Utsav 2010

Nicht zuletzt fehlt es an angemessener Bezahlung, um als Musiker von der Kunst auch leben zu können und die fortschreitende Landflucht auch der Künstler zu beenden. Finanzielle Unterstützung ist  aber auch notwendig, um die Ausbildung der Kinder zu sichern und ein Mindesteinkommen für die Alten zu garantieren – Renten gibt es natürlich nicht für Volksmusiker.

Man sieht den kulturellen Reichtum Rajasthans in Gefahr und beschwört dringenden Handlungsbedarf. Auf dem Campus des Barefoot College wird wieder einmal Aktivismus geplant: die Protagonisten des Festivals planen öffentliche Demonstrationen und Lobbymaßnahmen, um Druck auf die Regierung auszuüben.

Tänzerin auf dem Lok Utsav in Tilonia 2010

Für viele Besucher ist das Festival jedoch vor allem ein Fest der Lebensfreude, der Schönheit und des Wohlklangs. Bei Tanz, Gesang und Melodien gezaubert mit unterschiedlichsten Instrumenten gibt man sich Träumen hin und feiert in Gemeinschaft.

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Festkleidung in 9 Schichten

Wir essen früh zu Abend – um 20 Uhr sollen die Lagerfeuer entzündet werden. Draußen im Garten trudeln die ersten Gäste ein. Ich verschwinde noch einmal kurz, um mich umzuziehen. Die Nacht ist mondhell und sternenklar – aber lausekalt. Es empfiehlt sich eine Schichtbekleidung. 

in 9 Schichten Festkleidung mit Aruna - nachts ist es kalt in der Halbwüste Rajasthans

Also ziehe ich Lage über Lage an, über Strumpfhosen und Jeans kommt eine neue blaue Hose aus dem college shop, über die Pullover und warmen Unterhemden kommt ein zweischichtiges Oberteil, ebenfalls eine Neuerwerbung. Eine Totakette wird um den Hals gehängt und an jeden Ohrring ein Tota-Vögelchen montiert, dann noch einen Schal und das obligatorische Tuch umgeworfen (das blaue, das mir Bunker Roy von seiner Afrikareise mitgebracht hatte) und fertig bin ich – festlich gekleidet in 9 Schichten. Schlank macht das nicht gerade, aber darauf kommt es hier auch nicht an. 

Die Madonna von Tilonia

Um 20 Uhr ist der Festplatz voller Menschen, es wird geschnattert und gelacht und auf das Feuer gewartet. Unter den wartenden sehe ich eine Frau mit zwei Kindern, für mich fortan die Madonna von Tilonia. Das Bild spricht für sich selbst. Diese Mutter ist eine der Night School Drop Outs, die ich auch beim Herstellen von Kalendern fotographiert habe. Ihr Blick ist magisch. Dieses Bild mußte ich auch einfach größer hier abbilden, auch wenn das Laden dann länger dauert. 

die Madonna von Tilonia

Die Feuer brennen – Happy, happy Solar Engineer

Das Anzünden der vier Lagerfeuer ist schon der erste Höhepunkt, der von Raunen und Begeisterung begleitet wird. Am Feuer ist es warm und heimelich. Die nächsten vier Stunden vergehen im Fluge. Ein Mitarbeiter des Communicationsteams übernimmt die Rolle des Conferenciers.Nacheinander kommen alle Teams zum Einsatz, um sich vorzustellen, etwas zu singen oder zu tanzen. Natürlich gibt es auch das „Solar-Team“ – die Frauen aus Afrika, die länderweise auftreten. Einige von ihnen haben Lieder gedichtet für diesen Abend, so erklingt „Happy happy solar engineer, happy happy India, thanks to the sun for rising, happy happy solar engineer“.

die Solar Sisters aus Afrika feiern mit

Viele der Afrikanerinnen bedanken sich überschwänglich, sie rufen “India atcha! India atcha!“ (Indien ist gut), sie erzählen, dass man sie vor der Reise warnte, es sei gefährlich in Indien. 

Afrikanische Solar Ingenieurinnen beim Sylvesterfest

Sie erzählen, dass sie dankbar und glücklich sind, sehr viel lernen und dass die Menschen in Indien gut und freundlich sind. Sie danken der indischen Regierung für die Co-finanzierung und Bunker als Leiter des barefoot colleges, sie danken allen, die im college leben und sie dabei unterstützen, hier eine Qualifikation zu erwerben, die nicht nur ihr Leben sondern auch das Leben aller ihrer Dorfmitbewohner verändern wird. Sie jubeln sich gegenseitig bei ihren Auftritten zu. 

Auch die Solarkocher-Monteurinnen haben einen Auftritt. In dem indisch-sprachigen Lied verstehe ich immer wieder die Wörter „solar cooker“. Aruna übersetzt mir grob den Inhalt. Auch in diesem Lied geht es darum, der Sonne dafür zu danken, dass sie für ihre Energie quasi kostenfrei zur Verfügung stellt. 

Eine Riesin tanzt in der Sylvesternacht

Einen weiteren Höhepunkt stellt die Vorführung der Puppenspieler dar, die mit einer Riesenfrau einen Tanz spielen. 

Das Puppenspielerteam fasziniert mit einer tanzenden Riesin

Kurz vor Mitternacht schlagen die Trommeln, es wird im Kreis getanzt und bald tanzt ein Mann mit einem gelähmten Bein und seinem über 2 meter langen Gehstock ausgelassen in der Mitte. 

Mann mit Stock beim Neujahrstanz

Er hatte schon vorher ein Solo getanzt und mich dabei ebenso beeindruckt wie ein taubstummer Mann, der in perfektem Rhythmus zur Trommelmusik tanzte und mich schon fast an Michael Jackson erinnerte. Es gibt viele Menschen mit physischen Handicaps im barefoot college. Sie sind Teil der Gemeinschaft wie alle anderen, fröhlich und selbstbewußt, von allen respektiert und gehen ihrer Arbeit nach wie jeder andere auch. 

Sylvester endet ohne Alkohol  und Böller – das neue Jahr beginnt mit Mondfinsternis

Um Mitternacht wünscht Aruna allen ein Frohes Neues Jahr und lädt zur traditionellen Neujahrssüßigkeit ein. Jeder beglückwünscht jeden. Alkohol fließt keiner, auch andere Getränke gibt es nicht zum Anstoßen. Zwischendurch gab es Milchtee zum Aufwärmen. Hier knallen keine Böller durch die Nacht und hier ist die Feier auch mit dem Beginn des Neuen Jahres vorbei. Die Musikanlage wird um 00:10 abgebaut, die Lichterketten auch, schon eine Viertelstunde nach Mitternacht ist der Festplatz fast menschenleer. Eine Handvoll räumt noch auf und ein paar Teammitglieder von Aruna Roy versammeln sich um die runde Feuerstelle.

Neujahrsmond

Wir schauen alle ständig zum Mond. Es ist eine Vollmondnacht und jemand hat erzählt, dass es gleich eine partielle Mondfinsternis geben soll. Als sich herausstellt, dass sie erst um 1:25 beginnt und auch nur schlecht zu sehen sein soll in Indien, ziehe ich mich zurück. Ich bin totmüde, obwohl es in Deutschland ja erst 20:30 Uhr war. So schnell kann man sich umgewöhnen. Aruna hat mir auch noch 2 Extrabettdecken besorgt, so schlafe ich zum ersten Mal ohne Socken und Pullover und habe es mollig warm. Das neue Jahr kann kommen.

Happy New Year 2010!

 Leseempfehlungen

Artikel Vorbereitungen für das Neujahrsfest 31.12.2009

Artikel Neujahrsfest für die Kinder – 01.01.2010

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