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Am Gandhi-Apparat wird Garn gespult

Am anderen Ende des Campus besuchen wir die Holzwerkstatt. Hier entstehen Hocker und Klappstühle die mit kunstvoll verzierten Rückenlehnen versehen werden – diese allerdings werden aus Leder gefertigt oder gewebt, beides passiert in anderen Werkstätten. In der Holzwerkstatt entstehen auch Spielzeuge und Lehrmittel für die Night Schools, manche davon werden sogar von Night School Schülern hergestellt, damit sie Basisfähigkeiten im Handwerk erlernen. In der Holzwerkstatt arbeiten auch Frauen, vor allem in der Endfertigung, sie schleifen oder bemalen die Produkte.

Ein Spielzeug wird gefertigt

In der Nähe der Solarsisters Lehrstätte befindet sich die Weberei. Hier stehen große hölzerne Handwebstühle, so wie ich sie von früher kannte. Mitten im Raum sitzt eine junge Frau auf der Erde und spult auf einer selbstgebauten Maschine, die man hier nach ihrem Erfinder Gandhi-Maschine nennt, Garn für das Weberschiffchen auf eine Spule. Die Apparatur ist einfach, eine Fahradfelge findet dafür Verwendung sowie einige dünne Holzlatten, Bindfaden und Klebstoff.

Spulen mit dem Gandhi-Apparat

Hinter ihr sitzt ein Mann am Webstuhl und webt einen festen Stoff. Ich höre gern das Klappern der Webstühle. Ein harmonisches Geräusch und eines mit Erinnerungen an meine Jugendzeit.

Mann am Webstuhl

Vor der Weberei spielen Kinder. Einziges Spielzeug ist ein alter Fahrradreifen. Damit kann man eine Menge anstellen.

Kinder beim Reifenspiel

Von der Night School ins Kunsthandwerk – wie farbenprächtige Kalender entstehen

Unsere nächste Station führt uns zu Night School Drop Outs – zu Schulabbrechern der Abendschule, ein junger Mann und zwei junge Frauen.

Kalenderfertigung unter freiem Himmel

Sie arbeiten im Freien und kleben kleine Kalenderbüchlein zusammen. Das „Innenleben“ wird geliefert, der Einband wird hier angefertigt. Jedes Heft ist ein Unikat, die Einbände entstehen aus recyclten Textilien, schönen Stoffresten mit Druckmustern oder Stickerei. Dafür wird zuerst der Stoff am Pappeinband festgeklebt, dann wird der Einband festgenäht.

Kalender kleben und binden

Am Ende kommt noch ein Bindebändchen aus bunter selbst gedrehter Schnurr mit kleinen Silberglöckchen daran und fertig ist der Kalender oder das Notizbuch.

...und fertig sind die Kalender

Lehrmittel für die Night School – Spielerisch Mathematik und Physik begreifen

Im Raum dahinter hängen Papierwimpelketten von der Decke, an der Wand hängen die aus alten Zeitungen selbst erstellten Tragetaschen.

die Werkstatt ist geschmückt

Auf den Schränken an den Wänden stehen alle Arten Schulmaterialien aus alten Zeitungen, Pappen, Streichholzschachteln und anderen Materialien, die bei uns im Müll landen würden. Der Werkstattleiter mit pinkfarbenem Turban erklärt uns einige Lehrmaterialien aus der Mathematik und der Physik. Mit ihrer Hilfe kann man leichter Addieren oder Multiplizieren üben oder verstehen, wie Vibration funktioniert und was sie so bewirkt. Auch Spielzeug für die Night Schools entsteht hier aus Altmaterialien.

Lehrmittel und Spielzeug für die Night School

Kinder in den Night Schools muss man besonders lebendig, spannend und spielerisch unterrichten – sie kommen nach einem Tag mit Feldarbeit, der für viele von ihnen schon früh begann und mühsam war, da ist es nicht mehr leicht, sich auf das Lernen zu konzentrieren. Morgen werde ich eine der Night Schools besuchen können. Ich bin schon sehr gespannt. Bata schenkt mir einen kleinen roten Kalender, den die jungen Frauen eben gebunden haben. Dass Rot meine Lieblingsfarbe ist, hat sie längst bemerkt. Ich kaufe noch einige Hefte dazu. Der Herr der Werkstatt führt bei Verkäufen die Bücher. Hinter seinem Tisch wirkt er vornehm wie ein Maharadscha.

Mit Anmut und Würde bei der Arbeit

Mir fallen die Worte ein, die Bunker Roy häufig für die Solar Sisters verwendet – sie passen auch auf diesen Mann: „They do their work with grace and dignity“ – sie erledigen ihre Arbeit mit Anmut und Würde. Das trifft es auf den Punkt.

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Tilonia trocknet aus

Der Nachmittag (30.12.2009) stand ganz im Zeichen des Handwerks. Wir brechen nach einem Mittag bei Bunker Roy im schönen Garten zu Fuß auf in den alten Campus, wie immer ist Bata meine Begleiterin. Es ging auf staubigen Wegen über vegetationsfreie Ackerböden, am Feldrand stapeln sich Steine.

Äcker sind trocken und steinig

Wieder erzählt Bata, dass hier früher Mais und Weizen wuchsen, so viel Regen fiel. In diesem Jahr ist die Regenzeit im Juli/August fast ganz ausgefallen. Wir kommen an einem Wasserspeicher vorbei, der einen gigantischen Durchmesser hat und zig Meter in die Tiefe geht. Beim Blick hinunter wird’s einem schwindelig. Vor 1,5 Jahren, in der vorletzten Regenzeit, war der Speicher voller als er heute noch hoch ist. Ein Pfahl zeigt die Wasserhöhe vom August 2008 ca. 2 meter über dem Erdboden an. Inzwischen ist ein Teil der Wände, die über den Boden ragten abgerissen. Der Wasserstand ist mindestens 20 Meter tief gesunken. Es glänzt weit in der Tiefe.

frühere Wasserstände an der Speicherwand

Viele Bauern müssen sich ganz oder teilweise andere Tätigkeitsfelder suchen, um nicht zu verhungern. Umso wichtiger ist die Rolle des barefoot college als Arbeitgeber und Ausbildungsstätte für das Handwerk. Hier werden alte Traditionen weitergegeben und durch Modernes ergänzt.

Tilonia ist für mich eine ungewöhnliche Mischung aus Moderne und Vergangenheit. Auf der einen Seite gibt es ein schnelles WLAN, auf der anderen altes Handwerk, kein Besteck und Frauen, die auf dem Kopf Bügeleisen tragen, wie wir sie aus dem Museum kennen.

Museumsbügeleisen sind hier noch im Betrieb

Unser Weg führt uns an der Dayschool vorbei, in der die Kinder auf dem Schulhof lärmen. Ein Besuch bei Day- und Nightschool stehen später auf dem Programm.

Tierisches aus Textil: Vogel-Totas und Elefantendecken

Wir besuchen zuerst die Textilwerkstätten, im größten der kolonialen Gebäude. Auf der Vorderseite ist die Bankfiliale von Tilonia untergebracht, im rückwärtigen Bereich und im Obergeschoss arbeiten die Textilhandwerkerinnen. Unten wird geschneidert und genäht (dort entstand mein Gewand) aber hier werden auch Totas gebastelt, lange Ketten aus kleinen Vögeln, die mit Perlen als Abstandshalter auf eine bunte selbstgedrehte Kordel gezogen werden.

Material für die Totas - Ketten aus kleinen Stoff-Vögeln

Die Vögelchen sind wieder aus Stoffresten, die Füllung ist ebenfalls aus recycltem Material. In der YouTube Serie „Frauen aus Tilonia“ gibt es einen Film über Bhawar Kanwar, die in einem der umliegenden Dörfern die Herstellung von Bell-Totas koordiniert. In dem 3-minütigen Film kann man sich die Produktion einmal anschauen – von der Füllung aus getrockneten Pflanzenteilen bis zum Auffädeln der Vögelchen zu Ketten.

Die Frauen arbeiten ohne Hektik und in entspannter Atmosphere, dabei wird Tee getrunken, den ich leider ablehnen muss – er ist wie hier üblich mit Milch gekocht. Ein Junge sitzt dabei und schaut zu, nein, er hat nicht mit gearbeitet, Kinderarbeit habe ich bisher in Tilonia nicht gesehen.

Handwerkerin beim Herstellen von Tota-ketten

Von den Tota-Frauen steigen wir die steinerne Treppe hoch bis unter das Dach des höchsten Gebäudes im Campus. Dort arbeitet Batas Mutter nun schon seit 30 Jahren und entwirft das Design für immer neue Bettüberwürfe. In vielen Farbkombinationen gestaltet sie Ornamente, mythische und Tiergestalten, die als farbige Applikationen auf Decken gesteppt werden und mit einem mehrreihigen Steppstich als Zierstich umrandet oder künstlerisch ergänzt werden.

roter Bettüberwurf mit Elefantenapplikationen

Hier unter dem Dach entstehen tatsächlich nur die Entwürfe. Batas Mutter entwirft eine Decke erst im Kopf, dann auf dem Stoff, sie schneidet die Streifen und zu applizierenden Stoffstücke zu und befestigt sie mit einem Heftstich am Untergrund.

Entwurf und Vorproduktion der Decken macht Batas Mutter

Frauen aus umliegenden Dörfern holen diese Rohware ab und fertigen in Heimarbeit die Näharbeit an den Decken – ohne maschinelle Hilfe. Natürlich verliebe ich mich sofort in eine Decke – in den Laden wollte ich ja ohnehin noch einmal gehen. Mein Favorit hat viele kleine Elefanten appliziert. Sie sind aus blauem Stoff appliziert. Diese Decke sieht sogar von hinten schön aus.

Elefantendecke von hinten

Auf dem Weg zu den anderen Werkstätten begegnen uns die Kinder, die gerade aus der Schule kommen. Neugierig schauen sie die Ausländerin an. Sie sind hier schon privilegiert, da sie in die Dayschool gehen können. Viele Kinder müssen tagsüber arbeiten und Ziegen oder Schafe hüten, für sie bleibt nur die Nightschool, wenn sie etwas lernen wollen.

Wenn man neben den Kindergesichtern die offensichtliche Armut sieht und dann an den Überfluss in Deutschland und an vielen anderen Orten auf der Welt, kann man schon schier verzweifeln. Man kann als Einzelmensch nicht die ganze Welt retten. Aber ein bisschen was kann und sollte jeder tun. Wir haben schließlich nichts dafür getan, dass wir in unserem Teil der Welt geboren wurden.

Schulkinder gehen nach Hause

Wer jetzt konkret in Tilonia helfen will, der sei noch einmal auf mein barefoot college Spendenprojekt bei betterplace hingewiesen. Dort kann man auch kleine Summen spenden. Es gehen garantierte 100 % der Spenden direkt in das barefoot college, ohne jeden Abzug.

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